Sonntag, 9. April 2023

Die hl. Irmgard von Aspel - 3. Sturm des Schicksals - Folge 1

 3. Sturm des Schicksals 

Graf Godizos Wunden wollten nicht heilen. Woche um Woche zog ins Land, ohne daß eine Besserung eintrat. Siech und elend lag der sonst so lebensfrohe in seinem Gemach. Er klagte nicht. Aber die Wolke über seiner Stirn wurde immer düsterer. Immer seltener richtete er das Wort an die Frauen, die ihn mit leiser, linder Liebe betreuten. Denn auch Irmgard schien seit des Vaters Krankheit von fraulichem Ernst erfüllt, der weit über ihre Jahre ging. Die Mutter fand in der Tochter eine Stütze, die Sie nicht missen mochte in den schwarzen Tagen. Bei Irmgard wusste sie auch ihre jüngstgeborene, die kaum zweijährige Ermentrud, in besten Schutz.

Als die Lenzsonne wiederum milder übers Land scheint, sitzt Irmgard mit der kleinen

Schwester an der Wiese „am Meer“. Sorglos die kleine. Ihre Hände haschen nach den ersten Faltern und graben mit drolliger Ungeschicklichkeit die Lederblümchen aus der duftenden Erde. Irmgard aber sieht das Spiel von Licht und Schatten in dem Laub der alten Buche und sinnt über das Leid nach drüben im Schloß: Wie soll ich es anfangen, da hinein Licht zu tragen? O wenn doch die Muhme da wäre! Die könnte vielleicht raten und helfen…

Droben aber wechseln die Eltern ernste Rede. „Sei mir darin zu Willen“, bitte der Graf sein Weib mit dunkler Stimme. „Ich sterbe ruhiger dann“ … Mit Tränen in den Augen wehrt die Schloßfrau: „Sprich nicht vom Sterben, mein Gemahl. Denke an die Kinder. Denke an mich. Du wirst genesen an der größeren Kraft der sommerlichen Sonne“… „Ein Austausch mit einem Freund ist mir willkommene Freude. Glaubt mein Weib, das Freude mir schaden kann?“ „Ich will ihn zu Gast bitten“, seufzt die Gräfin, „möchte dir die Anstrengung nicht von Übel sein“…

Etliche Tage später sprengt Graf Gerhard vom Moselgau zum Schloß Aspel hinan. “Ihr seid mir vertrauenswürdig, Graf. Denn edle Sippe, wie seine edlere im Land, nennt Ihr Euer Eigen. Und Ihr habt einen blanken Schild und ein tapferes Herz, das sich hilflosen gern annehmen wird.“ Rasch streckt Graf Gerhard dem Siechen die Hand entgegen. „Sorgt Euch nicht. Ich will die Euren schon schützen. Und mögen noch so viele Feinde gegen Sie aufstehen. Hei, Waffenwerk und Waffenruhm! Wo es ehre zu erringen gibt, fehlt der Moselgau nie!“ Die helle Luft am Kampf lodert aus der jungen Ritters Blick. Er war tapfer und wollte auch ehrlich halten, was er versprach. Daß er durch seine Gemahlin, die Gräfin Eva, ein nahester Verwandter des Kaiserpaars geworden war, schien beim Grafen Godizo Grund genug, gerade ihn den Schutz und die Sicherheit der seinen anzuvertrauen.

Trotzdem bestürmen nach jener Unterredung, von der er sich klare Beruhigung versprochen hatte, erneut düstere Zweifel seine Seele. Ist Gerhard wirklich der Mann, in dessen Hut er sein Lieben wissen möchte, wenn man ihm, dem Grafen am Meer, bald den Grabhügel gewölbt haben wird und die Totenpsalme gesungen?

Unsicherheit wegen der Zukunft seiner Familie zehrt mehr denn je am leben des Aspelers. Er redet zu niemand von seiner Not. Die aber saugt ihm die letzte Kraft aus dem siechen Leib.

An einem Spätsommer des Jahres 1011 schlummert Graf Godizo vom Meer zum ewigen Frieden hinüber. Der schweigende Trauerzug nach Rees, das zum Besitze der Aspeler gehörte, trägt der Schloßfrau Glück und Sicherheit und Geborgenheit unter die geweihte Erde des Reeser Totengartnes.

Ja, die Sicherheit… Gerhard focht da schon wieder gegen die Herren von Jülich und Gladbach und bemühte sich, im Maasgau Herrschaftsrechte zu erlangen. Die Mundschaft über Aspel war eine Fessel, die ihn an seinen eigenen ehrgeizigen Plänen hinderte. Doch gab es einen ritterlichen Weg, davon loszukommen. War nicht Balderich durch die Heirat mit Udela nächster Verwandter des Aspeler Hauses geworden? Und war er nicht ein tapferer Mann, sein Waffenfreund und Bundesgenossen in manchen mannhaften Kampf? Leichten Sinnes überträgt also Gerhard vom Moselgau seine Schützenpflichten dem nun mehrigen Herrn auf Uplade. Der aber tritt mit der Miene des fordernden, der die Macht auf seine Seite weiß, vor die Schloßfrau von Aspel. „Das müsst der Ihr verstehen, Frau Gräfin, das Schloß kann in diesem Zustand nicht bleiben. Es hält keinen Feindansturm mehr stand. Wißt ihr wie es im deutschen Land zugeht eben?“ Höhnisch blicken Balderichs Augen. Er weiß, die Frauen stehen unter seinem Willen. „Wißt Ihr, daß der Kaiser sich von neuem in Polen herumschlägt und keine Zeit hat für die Sachen seiner Großen und die Angelegenheit seiner Sippe?“ Totenblaß schaut die Burgfrau den Frechen an. „Für Frauen ist nun kein Platz auf der Burg, versteht Ihr“, sagt der, „Ihr habt ja die Burg aus Eurem Vätererbe. Dorthin rate ich Euch zu ziehen, bis … ja bis die Mauern hier wieder befestigt sind.“ Auflachend wendet er der Schloßherrin den Rücken und läßt Sie stehen.

Drunten im Burghof aber wimmelt es von den Mannen des Eindringlings. Drohend klirren die Waffen und klingen die rohen Stimmen bis in die Gemächer der Frauen, die verstört und ratlos auf Ihre Gebieterin warten. Die aber weint, als wollte ihr das Herz zerbrechen. Irmgard hält sie liebevoll umfasst und sucht sie zu trösten. Da richtet die Gräfin sich fest auf. Sie muß ja besonnen sein um der Kinder willen. Sie gibt Anordnungen, erteilt Befehle. Das nötigste wird zusammengepackt. Nach einigen Tagen verlässt ein schweigender Zug das Schloß „am Meer“.

 Fortsetung -  3. Sturm des Schicksals - Folge 2

 

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