Die Frühlinge ziehen über die fruchtebenen des Niederrheins. Die Sommer reifen die Lenzsaat zu neuem Brot. Herbste verglühen auf Strom und Wald in der wehmütigen Pracht abschiede. So sinken Jahre in gleichmäßiger Abfolge dahin und zeichnen, fast unmerklich erst, dann aber bestimmter und deutlicher, die Spur der Zeit in das Antlitz der Menschen.
Lange schon ruht das heilige Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde im frieden Gottes und im Schatten des Bamberger Domes. Konrad II. hat des Reiches Regiment in die Hände seines Sohnes gegeben. Auch dieser sucht, gottesfürchtigen Sinnes, das deutsche Land zu befrieden und seine Stärke zu festigen gegen die noch immer anstürmende Gewalt der Feinde von außen.
Irmgard von Aspel überschaut mit klugem Auge den reichen Besitz, der ihr aus dem elterlichen Erbe zugefallen ist. Fast dreißig Jahre sind seit des Vaters Tode verstrichen. Die Mutter ruht schon siebzehn Jahre neben dem Gemahl in der Gruft zu Rees. Voll schlichter Güte und mit der sicheren Festigkeit der leid und lebenserfahrenen Frau geht Gräfin Irmgard, die Schwester zur Seite, den ihr vorgeschriebenen Weg. In ausgedehnten Landfahrten, begleitet von Ihrem Gefolge, reist die Herrin von Zeit zu Zeit von einem der Güter zum anderen, überall helfende und ratend, wo sie eine Not und einen Misstand antrifft. Bis an die niederländische Grenze erstrecken sich die Waldungen Aspels; seine Weinbergen an den Hängen des Siebengebirges werden von der Sonne überm Rheinstrom angeglüht die Orte Rees, Emmerich, Strahlen und Süchteln gehören zu den Herrschaften des Schlosses „ am Meer“.
Armut und Not finden seinen Boden, wo die milde Gräfin waltet. Aus den Einkünften ihrer Güter entsteht eine Stiftung nach der anderen. Die Bauern und Pächter sind zufrieden, und ihr Mund wird beredet, wenn sie die Sorgen um Vieh und Fruchtland mit ihrer Herrin besprechen können, die versteht und hilft.
Der Kaiser ist Irmgard in großer Huld zugetan. Nicht nur weil ihr freundlich klugen Regiments ihm eine starke Hilfe wird in dem stets brodelnden Kessel der Gier und Habsucht seiner Großen am Rhein. Eine innere Gleichstimmigkeit der Seelen zieht ihn zu der edlen Verwandten hin. Irmgards Einfluß soll sich, so will es Heinrich III., so weit wie möglich ausbreiten im westlichen seiner Gaue. Darum überweist er Ihr zur Abrundung der Aspeler Gebiete ansehnliche Lehensgüter jenseits des Rheines. Die Urkunde ist von seinem Kanzler, dem Erzbischof von Mainz ausgefertigt. Sie trägt den Tag dieses hohen Gunstbeweises an „die geliebte Nichte Irmgard“ das Datum vom 15.Februar 1041 und ist im Archiv der Stiftskirche zu Rees noch heute zu sehen….
In der Frauenstube auf Schloß Aspel sitzt Gräfin Irmgard über eine Webe eingefärbter Leinwand von riesigem Ausmaß gebeugt. Ab und zu ruht ihre fleißige Nadel. Dann schweift der Blick der Stickerin durch den Auslug des Türmchens zu dem schönen Land, das sich um die Burg schmiegt wie ein schimmernder Prunkmantel. Der See liegt glatt unter dem ruhenden Sommertag. Um Ufer säumen zwei Reihen hoher Pappeln den Pfad, der nach Rees hinunterführt. Wie ein geöffnetes Tor lassen Sie den blitzenden Tag herein am jenseitigen Ende. In diesem Tor aber steht schön wie ein frommes Bild im Rahmen die Stiftskirche, die Irmgard und Ermentrud zum Gedächtnis an die Eltern haben bauen lassen.
So lieb ist Irmgard dieses Bild vom Fenster des Frauensaals aus. Ist doch ihr Fuß unzählige Mahle dort gegangen, wenn Ihr Herz Sie drängte, im Heiligtum in Rees zu beten. Sie liebt die einsame Stunde vor dem Altar, die Stille Zwiesprache mit Gott.
Die Reeser und die von Aspel schauen die hoheitsvollen Frau ehrfürchtig nach, wenn Sie ihr auf dem Wege begegnen. Sie nehmen das liebreiche Lächeln, das ihnen von der Herrin so gern geschenkt wird, als besondere Freude in ihren Tag. Kein Wunder, wenn unter ihnen eine Mär aufsteht, lieb wie die Aspeler Schloßfrau selber, eine Mär um jene Kirchgänge von Aspel nach Rees: Die Blumen, die Frau Irmgards Fuß berührten, welken nicht. Sie blühen fort und fort, durch den Herbst bis in die tiefsten Winter hinein. Anfang
Fortsetzung Folgt