3. Sturm des Schicksals
Graf Godizos Wunden wollten nicht heilen. Woche um Woche zog ins Land, ohne daß eine Besserung eintrat. Siech und elend lag der sonst so lebensfrohe in seinem Gemach. Er klagte nicht. Aber die Wolke über seiner Stirn wurde immer düsterer. Immer seltener richtete er das Wort an die Frauen, die ihn mit leiser, linder Liebe betreuten. Denn auch Irmgard schien seit des Vaters Krankheit von fraulichem Ernst erfüllt, der weit über ihre Jahre ging. Die Mutter fand in der Tochter eine Stütze, die Sie nicht missen mochte in den schwarzen Tagen. Bei Irmgard wusste sie auch ihre jüngstgeborene, die kaum zweijährige Ermentrud, in besten Schutz.
Als die Lenzsonne wiederum milder übers Land scheint, sitzt Irmgard mit der kleinen
Schwester an der Wiese „am Meer“. Sorglos die kleine. Ihre Hände haschen nach den ersten Faltern und graben mit drolliger Ungeschicklichkeit die Lederblümchen aus der duftenden Erde. Irmgard aber sieht das Spiel von Licht und Schatten in dem Laub der alten Buche und sinnt über das Leid nach drüben im Schloß: Wie soll ich es anfangen, da hinein Licht zu tragen? O wenn doch die Muhme da wäre! Die könnte vielleicht raten und helfen…
Droben aber wechseln die Eltern ernste Rede. „Sei mir darin zu Willen“, bitte der Graf sein Weib mit dunkler Stimme. „Ich sterbe ruhiger dann“ … Mit Tränen in den Augen wehrt die Schloßfrau: „Sprich nicht vom Sterben, mein Gemahl. Denke an die Kinder. Denke an mich. Du wirst genesen an der größeren Kraft der sommerlichen Sonne“… „Ein Austausch mit einem Freund ist mir willkommene Freude. Glaubt mein Weib, das Freude mir schaden kann?“ „Ich will ihn zu Gast bitten“, seufzt die Gräfin, „möchte dir die Anstrengung nicht von Übel sein“…
Etliche Tage später sprengt Graf Gerhard vom Moselgau zum Schloß Aspel hinan. “Ihr seid mir vertrauenswürdig, Graf. Denn edle Sippe, wie seine edlere im Land, nennt Ihr Euer Eigen. Und Ihr habt einen blanken Schild und ein tapferes Herz, das sich hilflosen gern annehmen wird.“ Rasch streckt Graf Gerhard dem Siechen die Hand entgegen. „Sorgt Euch nicht. Ich will die Euren schon schützen. Und mögen noch so viele Feinde gegen Sie aufstehen. Hei, Waffenwerk und Waffenruhm! Wo es ehre zu erringen gibt, fehlt der Moselgau nie!“ Die helle Luft am Kampf lodert aus der jungen Ritters Blick. Er war tapfer und wollte auch ehrlich halten, was er versprach. Daß er durch seine Gemahlin, die Gräfin Eva, ein nahester Verwandter des Kaiserpaars geworden war, schien beim Grafen Godizo Grund genug, gerade ihn den Schutz und die Sicherheit der seinen anzuvertrauen.
Trotzdem bestürmen nach jener Unterredung, von der er sich klare Beruhigung versprochen hatte, erneut düstere Zweifel seine Seele. Ist Gerhard wirklich der Mann, in dessen Hut er sein Lieben wissen möchte, wenn man ihm, dem Grafen am Meer, bald den Grabhügel gewölbt haben wird und die Totenpsalme gesungen?